Google hat mit der Entwicklerkonferenz I/O für einiges Aufsehen gesorgt. Natürlich hat auch Google+ eine wichtige Rolle gespielt und passend zum Einjährigen-Bestehen ist es an der Zeit eine Rückblick auf die ersten zwölf Monate zu werfen und einen Ausblick in die mögliche Zukunft von Google+ zu geben.
Zwölf Monate Google+: Gute Ansätze mit vielen Baustellen
Als Google+ an den Start ging, hatten viele „the next big thing“ erwartet und wurden dann relativ schnell auf den Boden der Tatsachen zurück geholt. In einigen Punkten, wie beispielsweise den Kreisen, war die Usability Facebook überlegen. Kontakte konnten einfach in spezielle Gruppen unterteilt werden und Nutzer konnten ihre Kommunikation daran ausrichten. Außer den Kreisen kam aber leider nicht viel nach. Natürlich gibt es noch Hangouts, meiner Meinung nach sind sie aber kein Killer-Feature für ein soziales Netzwerk (auch wenn Google sagt, G+ wäre keines).
Hangouts spendieren Google+ eine weitere Einsatzmöglichkeit, aber mal ehrlich, wie oft hat man schon das Bedürfnis mit mehreren Leuten gleichzeitig einen Video-Chat zu machen? Für mich sind Hangouts für Unternehmen interessanter, als für einzelne User. Die Kommunikation mit Kunden und Geschäftspartnern wird einfacher und sozialer, aber auch hier blieb das Feedback und vor allem der Einsatz hinter den Erwartungen von Google zurück. Gab es mal einen Hangout von einer internationalen Marke, wurde hierzu von Google nahezu immer ein eigener Post veröffentlicht. Wären Hangouts bei den Unternehmen voll und ganz akzeptiert, wären solche Meldungen überhaupt nicht mehr nötig, sondern würden zum Alltag gehören.
Google+ wird von vielen Unternehmen noch nicht für voll genommen und oft kommt es einem so vor, dass eher nach Gründen gegen, als für Google+ gesucht wird. Warum dies so ist, fängt schon bei den Google+ Seiten an, die von ihrer Funktionalität her Facebook Seiten klar unterlegen sind und eher wie abgespeckte Nutzerprofile wirken. Über die fehlende API Anbindung lässt sich streiten. Viele fordern sie vehement und andere sind froh darüber, dass kein Content von externen Seiten und Apps zu Google+ gespült wird. Hierbei darf man aber nicht vergessen, dass die API Facebook zu dem Netzwerk gemacht hat, dass es heute ist und das Nutzer deutlich von Facebook Apps profitieren.
Unausgereifte Features
Eines kann man Google nicht vorwerfen: Fehlende Aktivität. Es werden dauernd neue Funktionen entwickelt. Sei es die soziale Suche, Trending Topics, neue Share-Möglichkeiten, oder Google+ Local. Alle Features haben aber eines gemeinsam. Sie wirken unausgereift und teilweise macht es den Eindruck, als würde Google lieber ein unfertiges Feature veröffentlichen, anstatt gar keines.
Gleiches gilt für die mobilen Apps. Hier hat sich aber seit gestern einiges getan und Google hat auf der I/O mehrmals betont, dass die Zukunft von Google+ in der mobilen Nutzung liegt. Richtig, doch dann stellen wir uns die Frage, warum es bis gestern keine Tablet-Version von Google+ gab? Google hat seinem eigenen Produkt keine Tablet-Version spendiert und dass bei der Wichtigkeit von Android und er mobilen Nutzung an sich. Jetzt soll sich alles bessern und die die Tablet-App ist endlich da.
Die soziale Suche wurde zu früh veröffentlicht und hat einen großen Minuspunkt, sie schließt andere soziale Netzwerke aus. Die Gründe hierfür sind verschieden, aber meinem Verständnis nach, sollte eine soziale Suchfunktion nicht nur auf einer einzelnen Content-Quelle basieren. Die Vielfalt und unterschiedliche Nutzung von Google+, Twitter und Facebook verleihen sozialen Suchern erst die Tiefe die benötigt wird.
Solche Situation gaben es nahezu bei jeder Funktion. „Hört sich interessant an, macht Sinn, aber die Umsetzung ist nicht optimal“. Google+ Local hat enormes Potenzial und könnte mit einer Anbindung zu Latitude, oder einen anderen Location Based Service, alle anderen Dienste in den Schatten stellen. Ich empfehle Google nach wie vor SCVNGR zu übernehmen. Hier basieren die Check-Ins auf Google und Nutzer können zu Orten eigene Challenges erstellen. Schnell wird klar, was eine Anbindung an Unternehmen mit einer Google+ Localseite bedeuten und welchen Auswirkungen dies auf Unternehmen haben könnte. Ortsbasierte Angebote, Kampagnen auf Events und so weiter.
Das Potenzial ist enorm, Google+ muss es nur nutzen und vor allem kommunizieren.
Alles anders nach der I/O?
Was Google auf der I/O vorgestellt hat, war schon ziemlich beeindruckend. Glass, Nexus 7 und Jellybean, lasse ich jetzt mal außen vor. Google Play wird zukünftig einen wichtigen Platz bei Google+ einnehmen. Hierbei geht es vielmehr nicht um die angebotenen Inhalte, sondern um deren Verbreitung auf Google+.
Welche Bücher haben sich Nutzer aus meinen Kreisen gekauft? Welche Musik hören sie und welche Filme sind gerade angesagt? All diese Informationen machen Facebooks Open Graph für Marken so interessant und aus diesem Grund werden wir auch viele Unternehmen sehen, die ihren digitalen Content auf Google+ verbreiten möchten.
Google wird hiermit gleich doppelt profitieren. Einmal wird der Playstore gepushed und zweitens generieren die Nutzer mehr Content. Google streitet immer ab, dass es sich bei G+ um eine „Geisterstadt“ handelt. Das ist auch nicht der Fall, aber vergleicht man Google+ mit Facebook (und der Vergleich wird bei jeder Marke kommen) ist Facebook New York und Google+ Düsseldorf (nichts gegen Düsseldorf).
Ich bin davon überzeugt, dass sich Unternehmen nicht an reinen Nutzerzahlen orientieren, sondern immer plattformspezifisch überlegen sollten, was kann ich meine Kunden bieten. Unabhängig davon, ob es 5.000, oder 500.000 sind. Das funktioniert aber nicht bei allen Marken, da teilweise schon die Zeit für Facebook fehlt.
Was die ganze Situation ändern könnte sind die neuen mobilen Applikationen und der Vorteil, den Google mit Android hat. Je besser die mobile App von Google+ ist, um so mehr Nutzer werden vielleicht überlegen, Google+ den Vorzug gegenüber Facebook zu geben, wenn sie gerade unterwegs sind. Bisher haben sich beide nicht gerade mit Ruhm bekleckert, wir werden in den kommenden Monaten aber klare Weiterentwicklungen sehen. Von Facebook und von Google. Mit dem neuen Update hat Google+ eine deutlichen Schritt nach vorne gemacht. Ich vermute aber einmal, dass Facebook bald nachziehen wird und seinen mobilen Apps ein komplettes Redesign und neue Features spendieren wird. Erste Anzeichen gibt es hierfür schon.
Auch Google+ Events werden eine Rolle spielen, aber sicher nicht in dem Umfang. Lange wurde über solche ein Feature schon diskutiert und auf der I/O wurde es dann auch endlich vorgestellt. Können Unternehmen hiervon profitieren? JA. Werden Events das entscheidende Argument für eine Google+ Präsenz sein? NEIN.
Events sind sehr gut gemacht und vom Funktionsumfang, Facebook Veranstaltungen überlegen. Die Verknüpfungen zum Google-Kalender ist großartig, doch entscheidend wird es für den Erfolg von Google+ nicht sein.
12 Monate sind eine kurze Zeit
Mir kommt es so vor, als gibt es Google+ schon Jahre. Es sind aber nur zwölf Monate und vielleicht herrscht bei einigen Punkten einfach ein zu hohe Erwartungshaltung. Den Vorsprung den Facebook hat, wird Google+ so schnell, oder nie, einholen. Momentan gibt Facebook das Tempo vor und ist ja auch nicht gerade mit einem schwachen Team mit dabei. Google sollte sich bei neuen Features mehr Zeit nehmen und ausgereifte Produkte präsentieren. Entscheidend wird sein, wer die mobile Nutzung am Besten umsetzt und wer den Usern die nützlichsten Funktionen spendiert. Google Local könnte solch eine Funktion sein. Es würde mich aber auch nicht wundern, wenn Facebook bald mit einem ähnlichen Feature auftrumpfen würde. Ein potenzieller Partner wäre hier beispielsweise Yelp.
Kurz nach der I/O liegt das Momentum bei Google. Die Keynote konnte überzeugen und aktuell steht Google da, wo es hin möchte: Innovation. Diese Art von Innovation brauch auch Google+, um langfristig gegen Facebook bestehen und vor allem um den Vorsprung verkleinern zu können.
Futurebiz ist ein Projekt der Agentur Brandpilots (ehemals Berliner Brandung). Uns gibt es auch als täglichen Newsletter sowie auf Facebook, Twitter und Google+.
Blogger in Charge bei Futurebiz, Speaker, Autor und Senior Digital & Social Media Berater bei der Agentur BRANDPUNKT. Jan Firsching berät Marken und Unternehmen bei der Entwicklung von digitalen und Social Media Strategien. Zu Futurebiz Consulting
Blogger in charge at Futurebiz. Speaker, author and senior digital & social media consultant at the BRANDPUNKT agency. Jan Firsching advises brands and companies on the development and implementation of digital and social media strategies.