Der PR-Trendmonitor greift die Meinung und das Stimmungsbild der PR-Branche zum Potenzial von Social Media auf. Kürzlich wurden die aktuellen Ergebnisse veröffentlicht und Headlines wie „Der Abstieg von Facebook setzt sich fort“ haben nicht lange auf sich warten lassen.
Diese Meinung darf jeder haben, aber wenn in der gleichen Befragung auch solche Ergebnisse ermittelt werden, zweifle ich doch ein wenig an der Einschätzung der befragten „PR-Profis“.
„Stayfriends landete bei der Umfrage auf dem letzten Platz: Jeder Zweite PR-Profi gab an, dass die private Freunde-Suchmaschine unwichtiger für die eigene Arbeit wird.“ Wie bitte? Allein die Frage nach dem Stellenwert von StayFriends erschließt sich mir noch nicht. Umgedreht wird die Aussage noch schlimmer. Jeder Zweite PR-Profi gab an, dass die private Freunde-Suchmaschine wichtiger (oder genauso wichtig bleibt) für die eigene Arbeit wird.
Darüber kann man eigentlich nur Schmunzeln und in kommenden Befragungen sollte StayFriends einfach nicht mehr als Antwortmöglichkeit existieren. Allein die Erwähnung von StayFriends erweckt einen merkwürdigen Eindruck.
Facebook verliert an Bedeutung?
Aber auch die anderen Ergebnisse hinterlassen für mich einen faden Beigeschmack und spiegeln eine für mich falsche Einschätzung der unterschiedlichen sozialen Netzwerke wieder. Mir kommt es so vor, als hätte die PR-Branche (natürlich gibt es auch Ausnahmen) ein paar Artikel zu YouTube Stars gelesen und auf einmal ist YouTube ganz vorne dabei. Gleiches trifft auf Facebook zu. Hier waren es wahrscheinlich Artikel zur sinkenden organischen Reichweite. 36 % bzw. 37 % gaben an, dass Facebook für sie in den kommenden zwölf Monaten an Relevanz verliert. Facebook verliert nicht an Relevanz. Viele Inhalte verlieren im News Feed an Relevanz. Das hat aber nichts mit Facebook an sich zu tun, sondern mit der Qualität der Inhalte.
Twitter hingegen wird laut dem PR-Trendmonitor 2015 deutlich an Bedeutung gewinnen. Verkehrte Welt? Twitter wird an Bedeutung gewinnen. Einerseits wegen dem verstärkten Einsatz von visuellen Inhalten und zweitens wegen Twitter Anzeigen. Warum Twitter Anzeigen positiv bewertet werden und Facebook Anzeigen nicht, erschließt sich mir nicht und macht auch keinen Sinn. Nichts gegen Twitter Anzeigen. Hier existieren viele Möglichkeiten andere Nutzergruppen zu erreichen, aber die Unterschiede zur Einschätzung von Facebook sind einfach falsch.
Facebook gewinnt bei Bewegtbild an Bedeutung
Auch das Argument mit Bewegtbild und Storytelling greift nicht. Facebook hat in den vergangenen Monaten viel in Facebook Videos investiert. Die Anzahl und die Interaktionen mit Facebook Videos haben sich enorm gesteigert. Auch bei Facebook Anzeigen gibt es immer mehr Möglichkeiten, die Bewegtbild in den Vordergrund stellen. Es geht also nicht um Bewegtbild und nicht um Anzeigenformate. Es geht um Facebook und um die sinkende organische Reichweite. Das Böse Facebook ist Schuld und jetzt müssen wir uns schnell andere soziale Netzwerke rauspicken. Die höhere Bedeutung von Bewegtbild und Storytelling lässt sich aber einfach besser verkaufen.
Natürlich ist YouTube wichtig, aber die Anzahl von positiven Beispielen von Unternehmen ist überschaubar. „Virale“ Videos sind die Ausnahme und in 9 von 10 Fällen stecken hier große Mediabudgets dahinter. Ein „Supergeil“ wird nicht an jedem Tag produziert. Auch wenn das viele gerne hätten. Es wird häufig vergessen, wie sich Bewegtbild im Netz verbreitet. Facebook spielt hierbei eine entscheidende Rolle und das gilt auch für YouTube Videos.
Das eine soziale Netzwerk wird wichtiger und andere unwichtiger. Diese Denkweise in Kanälen ist für mich eines der größten Probleme. Wenn die Befragten wirklich ihre Aktivitäten für ihre Kunden (oder das eigene Unternehmen) auf YouTube und Twitter deutlich erhöhen und im Gegenzug die Aktivitäten auf Facebook reduzieren, weiß ich schon wie der Trendmonitor 2016 aussehen wird. „Bewegtbild und Storytelling auf Facebook gewinnt an Bedeutung“. Ich glaube aber nicht, dass die Ergebnisse der Befragung die Realität widerspiegeln.
Bewegtbild ist mehr als YouTube
Schon jetzt können wir beobachten, dass die Anzahl der veröffentlichten Facebook Videos deutlich ansteigt. Die Anzahl der hochgeladenen YouTube Videos hingegen sinkt. Zumindest wenn man sich die Aktivitäten von Unternehmen ansieht. Das schmälert nicht die Bedeutung von YouTube. Es wird aber klar, welch wichtige Rolle Facebook Videos schon jetzt spielen und wir befinden uns erst am Anfang.
Mir fehlen in den Ergebnissen Pinterest, Tumblr und mobile Messenger Apps. Geht es um die Steigerung der aktiven Nutzer, dann sind das die Netzwerke und Apps der Stunde. Snapchat wird in Deutschland in naher Zukunft aufschließen. Hier geht es dann übrigens auch um Bewegtbild und Storytelling.
YouTube hat seine Alleinstellung für Bewegtbild verloren. Wir haben Videos auf YouTube, Facebook, Instagram, Twitter, Vine und Snapchat.
Facebook verliert nicht an Bedeutung. Vor allem nicht mit der Argumentation, die auf einer immer höheren Bedeutung von Bewegtbild basiert. Mit Instant Articles hat Facebook erst vor kurzem gezeigt, wie Bewegtbild und Storytelling mobil funktioniert. Vielleicht sehen wir das dann im PR-Trendmonitor für 2017…
Blogger in Charge bei Futurebiz, Speaker, Autor und Senior Digital & Social Media Berater bei der Agentur BRANDPUNKT. Jan Firsching berät Marken und Unternehmen bei der Entwicklung von digitalen und Social Media Strategien. Zu Futurebiz Consulting
Blogger in charge at Futurebiz. Speaker, author and senior digital & social media consultant at the BRANDPUNKT agency. Jan Firsching advises brands and companies on the development and implementation of digital and social media strategies.