Sehr geehrter Herr Steinbrück,
dies ist ein offener Brief an Sie, der in einem Blog veröffentlicht wird, welches sich mit den Chancen der sog. „sozialen Medien“ für die Kommunikation beschäftigt. Vielleicht erreicht Sie dieser Brief über Ihre Mitarbeiter. Wir versuchen es jedenfalls einmal.
Im heutigen Artikel von Spiegel Online zum „Offline-Kandidaten“ Steinbrück wird recht umfassend aufgezeigt, dass Sie den sog. „Sozialen Medien“ noch nicht sehr viel Bedeutung zumessen und dies gänzlich Ihren Mitarbeitern überlassen. Das ist Ihr gutes Recht – aber Sie werden die Wahl so kaum gewinnen können. Warum nicht?
50% der aktiven Internetpopulation in Deutschland nutzt Facebook täglich für die Kommunikation. Die von Ihnen sicherlich genutzte E-Mail verliert an Bedeutung. Das Fernsehen ist und bleibt zwar Leitmedium, aber es entwickelt sich für viele zum Begleitmedium. Lassen Sie sich hierzu von Ihren Mitarbeitern aus zwei Studien die Zahlen vorlegen: Die ARD/ZDF Online Studie 2012 sowie die Studie „Digitale Gesellschaft“ der InitiativeD21.Kein Spitzenkandidat wird erfolgreich sein, wenn er auf folgende Aktivitäten verzichtet:
- Veranstaltungen
- TV
- Soziale Medien
Nennen wir dies einmal das Drei-Säulen-Modell. Das „Social Web“ ist in diesem Modell aber kein Spaßmedium der noch nicht Wahlberechtigten. Es ist auch kein Medium um Anzeigen zu schalten, wie es Ihr Vorgänger Frank-Walter Steinmeier hektisch in der Endphase der letzten Bundestagswahl versucht hat. Und das Social Web ist keine Modeerscheinung, die schnell wieder an Relevanz verliert. Ganz im Gegenteil: Die alten Welten der one-way Kommunikation werden nie wieder zurückkommen.
Wie können Sie das Social Web nutzen?
1) Zuhören
Ja wir wissen, Zuhören ist keine Stärke der Politiker. Aber da stehen Sie nicht alleine da. Die gesamte Branche der Kommunikation hatte nur das „Reden“ gelernt bzw. das „Senden von Werbebotschaften“. Die Branche ist nun im radikalen Umbruch, da die Konsumenten keine Werbung mehr wollen.
Ihre Chance: Hören Sie zu, was die Bürgerinnen und Bürger wollen. Dies können Sie schneller über das Social Web erfahren, als über die Marktforschungsinstitute. So können Sie z.B. über ein Monitoring ein tägliches Bild haben, welche Themen sich wie entwickeln.
2) Dialog
Natürlich können Sie nicht jede Frage auf Facebook oder Twitter selbst beantworten. Aber Sie sollten nach dem o.g. Drei-Säulen-Modell eben auch Zeit für den Kontakt zu den Wählern suchen, wie Sie dies via TV und Veranstaltungen machen.
Ihre Chance: Jeder von Ihnen im Social Web geführte Dialog wird tausende Ihrer Unterstützer erreichen. Und tausende Ihrer Unterstützer werden als Ihre Multiplikatoren dafür sorgen, dass Ihre Botschaften den Weg in die jeweiligen Freundeskreise finden. Diesen Prozess können Sie selbst anstoßen.
3) Parteiarbeit
Sie verfügen über ein riesiges Netzwerk, nicht zuletzt von ehrenamtlichen Helfern. Kein Medium ist so geeignet wie z.B. ein Gruppe auf Facebook, um mit diesen Helfern in engem Kontakt zu stehen. Auch hier in beide Richtungen: Sie bekommen direktes Feedback und können direkt tausende von Helfern ansprechen und motivieren.
Ihre Chance: Stehen Sie im täglichen Austausch mit der gesamten Organisation, mit allen Mitarbeiter und Helfern. Zeigen Sie Ihrer Mannschaft, dass Sie für sie da sind.
Wir haben Sie jetzt nicht überzeugt, richtig? Natürlich, denn sonst hätten Sie sich in den vergangenen Monaten schon anders positioniert, dann wäre der heutige Artikel im Spiegel nicht erschienen.
Einen Versuch wagen wir noch: Wir laden Sie ein zu einem 90 minütigen Workshop ein. Kostenlos. Dafür spenden Sie etwas an eine von Ihnen zu benennende Organisation. Das ist die Zeit eines Fußballspieles. Es sollte sich lohnen.
Bildquelle: WIKIMEDIA
Geschäftsführer der Agentur BRANDPUNKT sowie Gründer / Autor von Futurebiz.
Brandpunkt ist eine Berliner Agentur für Digitale Markenführung & Social Media.
Ist jemand, der noch Vergleiche von Indianer und Artillerie heranzieht (Steuerstreit mit der Schweiz), wirklich schon reif für Social Media? Kommunikation in den sozialen Netzwerken funktioniert ja nicht gleich wie das gute, alte telegrafieren 😉
Ihr überschätzt den tatsächlichen Einfluss von Social Media auf Wahlergebnisse massiv. Bisher gibt es überhaupt keinerlei empirischen Beleg, dass Aktivität in oder Fernbleiben von Social Media auch nur einen einzigen Prozentpunkt bringt bzw. kostet. Darüber entscheiden größtenteils ganz andere Faktoren. Ein Großteil der Wahlentscheidungen wird sogar erst in der Wahlkabine getroffen. Daher ist die These, Steinbrück könne die Wahl so kaum gewinnen, komplett hinfällig. Und Pseudo-Bürgernähe brauchen wir auch nicht. Wenn sich jemand damit wohlfühlt und identifiziert, ist das gut. Aber wenn jemand damit nicht kann und es nur tut, weil es verlangt wird, ist das null authentisch. Dann ist es richtig und konsequent, darauf zu verzichten.
Für den Anfang muss es reichen. Wir erweitern unser Angebot gerne 😉
Seid Ihr sicher, dass da 90 Minuten ausreichen? Ich hab da meine Zweifel..