Bildquelle Flickr: Fotograf – JD Hancock
Geht es um die Verbreitung und Vermarktung von Inhalten prallen zwei unterschiedliche Positionen aufeinander. Auf der einen Seite haben wir Unternehmen, die sich nicht von Facebook und anderen sozialen Netzwerken kontrollieren lassen wollen. Auf der anderen Seite haben wir die Vertreter, die sich neuen Formaten stellen und von den Möglichkeiten von sozialen Netzwerken profitieren möchten.
Ich finde es immer etwas merkwürdig, wenn Unternehmen auf einmal auffällt, wie wichtig eigene Kanäle sind. Sie wollen nicht mehr abhängig von Facebook sein, weil es mit der organischen Reichweite nicht mehr funktioniert. Und was ist mit Google? Und was ist mit den ganzen Share Buttons auf Webseiten und Communities? Facebook wird der schwarze Peter zu geschoben (teilweise berechtigt, häufig unberechtigt), die positiven Effekte wollen aber alle mitnehmen. Eine Unabhängigkeit hört sich immer gut an, nur ist sie nur bis zu einem bestimmten Punkt tragbar. Oder nimmt ein Unternehmen seine komplette Webseite aus dem Google Index?
Fokus auf eigene Kanäle – Chance oder Gefahr?
Unternehmen haben viel Zeit und Geld in ihre Facebook Auftritte investiert. Ein Großteil der Reichweite haben sie mittlerweile an Medienunternehmen verloren. Medienunternehmen die mehr Inhalte produzieren, häufig aber einfach auch bessere Inhalte produzieren. Jetzt kommt dann Content Marketing ins Spiel und Unternehmen fangen an immer mehr eigene Inhalte zu produzieren. Losgelöst von Kampagnen und Corporate Blogs. Das Problem, oder die Aufgabe der Verbreitung, bleibt aber die gleiche wie auf Facebook. Wenn ich noch mehr Zeit und noch mehr Budget in Content Marketing investiere, dann brauche ich im ersten Schritt Reichweite in der richtigen Zielgruppe. Im zweiten Schritt muss die Leserschaft konvertieren und Umsatz generieren. Ein Reichweitenaufbau ohne die bösen Unternehmen Google und Facebook ist unmöglich.
Die Aussage ist einfach inkonsequent. Content Marketing ist nicht gleichzusetzen mit einem Fokus auf eigene Kanäle. Löschen Unternehmen ihre Facebook Seiten und ihre YouTube Channels? Nein. Facebook Videos sind ein perfektes Beispiel für die aktuelle Situation, in der sich Unternehmen befinden und warum viele Aussagen, die sich gegen Facebook richten, ins Leere verlaufen. Ist YouTube ein eigener Kanal? Oder warum unterscheiden wir zwischen Facebook als Kanal und beispielsweise YouTube? Es kommen immer neue Player mit dazu. Aktuell sind es mobile Messenger und Livestreaming Apps wie Meerkat. Auch hier werden Inhalte direkt innerhalb der Apps erstellt, beziehungsweise mobile Messenger zur Verbreitung von Inhalten eingesetzt.
Die größten US-Medienunternehmen gehen gerade einen anderen Weg und tanzen auf zwei Hochzeiten. Ein Weg der eine Symbiose zwischen Inhalten auf eigenen Webseiten und Inhalten auf sozialen Netzwerken darstellt. Mit seinen letzten fünf Facebook Videos hat Buzzfeed über 2,8 Mio. Views auf Facebook generiert. Hier geht es aber nicht nur um Views, sondern um die optimale Verbreitung von produzierten Inhalten. Die Facebook Videos zahlen zusätzlich auf den Traffic ein. Entweder über Verlinkungen am Ende der Videos, oder einfach über die Präsenz im News Feed und die Stärkung der eigenen Marke.
Gleiches gilt für Snapchat „Discover“. Auch hier werden Inhalte exklusiv für eine mobile App produziert, die keinen direkten Traffic generieren. Menschen setzen sich aber mit den Medienunternehmen auseinander.
Folgen den Unternehmen in sozialen Netzwerken, oder abonnieren einen Newsletter. Reichweite ist nicht gleichzusetzen mit unmittelbarem Traffic. Wir werden immer mehr Content-Formate vorfinden, die ausschließlich innerhalb von sozialen Netzwerken und mobile Apps veröffentlicht werden. Diese Formate ergänzen und stärken die eigenen Kanäle. Sie schwächen sie nicht.
Facebook als Nachrichtenzentrale im Netz
Wenn Facebook eigene Nachrichtenseiten startet, dann wird es wieder viele Aufschreie geben. Angeblich befindet sich Facebook in Gesprächen mit der New York Times und Buzzfeed. Ergebnis sollen Inhalte sein, die direkt auf Facebook veröffentlicht werden. Nicht in Form von Facebook Posts und Facebook Videos, sondern eigenständige Artikel. Hauptargument seitens Facebook ist die Performance und die Zufriedenheit der Leser. Facebook kann die Inhalte schneller bereitstellen und Nutzer müssen nicht zwischen verschiedenen Apps und Browsern hin und her wechseln. Für die Leser spielt es keine Rolle, ob sie einen guten Inhalt auf Facebook oder auf einer Webseite finden. Der Inhalt steht im Vordergrund und nicht der Rahmen in dem er präsentiert wird.
Die Nachrichtenseiten auf Facebook wurden noch nicht offiziell bestätigt. Die Anzahl von Meldungen ist aber so hoch, dass etwas an dem Thema dran sein muss. Der Schritt würde auch zur New York Times passen. Das Ende der Startseite der New York Times wurde bereits eingeläutet. Traffic entsteht über Facebook und Google. Jetzt könnte bald zusätzliche Reichweite über Facebook News Sites entstehen. Komplette Inhalte nur auf Facebook zu veröffentlichen ist übrigens nichts Neues. Vor einigen Jahren wurde die Notizfunktion hierfür öfters genutzt. Das hat sich mittlerweile geändert, es gibt aber immer noch Unternehmen (z.B. Mobile Games), die FAQs und Tutorials ausschließlich auf Facebook veröffentlicht haben. Ein direkter Vergleich ist es nicht, soll aber zeigen, dass für die Nutzer nicht der Ort entscheidend ist, sondern die Information.
Wie Johannes Lenz auf Facebook vollkommen richtig anmerkt, verfolgt LinkedIn schon länger den gleichen Ansatz. Auch hier können Unternehmen und Nutzer Inhalte exklusiv auf LinkedIn publizieren.
Die Möglichkeit von externen Verlinkungen besteht natürlich. Aber ist sie im Sinne des Formates? Eigentlich nicht. Wie Facebook arbeitet auch LinkedIn mit einem In-App Browser. iOS Nutzer sind an diese Browser gebunden und verlassen die App nicht mehr. Bei LinkedIn wurde von einer neuen Chance für Unternehmen gesprochen. Bei Facebook sieht die Berichterstattung immer etwas anders aus und es fallen Begriffe wie Zensur.
Beispielhaft sind auch die Kommentare beim Artikel der New York Times, der sich mit den möglichen Facebook News Sites beschäftigt. Der Artikel liest sich etwas merkwürdig, da er von der New York Times kommt und gleichzeitig eine mögliche Partnerschaft zwischen der Times und Facebook thematisiert. In den Kommentaren kommt Facebook nicht gut weg. Wichtiges Feedback für die New York Times, weil auch Punkte wie die Paywall thematisiert werden. Auf Facebook wäre ein Paywall nicht vorstellbar, weil dies genau gegen die Ansprüche von Facebook geht. Usability ist entscheidend und Posts die zu Paid Content führen, haben in sozialen Netzwerken nichts zu suchen. Opfert die New York Times also seine Paywall für Reichweite auf Facebook? Gut möglich und ein klares Signal. Paywalls entwickeln sich zwar in einzelnen Fällen ganz gut, sie sind aber noch nicht massenkompatibel und Unternehmen müssen entscheiden welchen Weg sie einschlagen.
Aber irgendwie müssen Unternehmen wie die New York Times und Buzzfeed auch Geld verdienen. Buzzfeed setzt auf Native Advertising. Dieser Ansatz wäre auch mit den Facebook News Sites umsetzbar. Wenn Facebook mitspielt. Wer auf Anzeigenumsätze setzt, der muss sich etwas für Facebook überlegen. Wie gesagt, ich bin davon überzeugt, dass exklusiver Content für Facebook auch positive Auswirkungen auf den Traffic hat. Facebook würde von den Inhalten natürlich auch profitieren. Nutzer verbringen mehr Zeit auf der Plattform, interagieren mit „Facebook Only“ Content und profitieren von einem besseren Nutzererlebnis. Die Lösung: Facebook Anzeigen in den News Sites. Facebook könnte Unternehmen an den Anzeigenumsätzen beteiligen und so könnte es für beide Seiten zu einem sehr profitablen Geschäft werden.
Totaler Kontrollverlust?
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Wenn Facebook diesen Schritt geht, dann werden sie auch schlagkräftige Partner finden. Dann tritt der Erfolg ein und Facebook wird sich vor einer Flut Anfragen nicht retten können. Facebook News Sites sind eine Chance und eine Ergänzung zu den eigenen Kanälen. Sie zahlen auf die Gesamtreichweite von Medienunternehmen ein. Genau wie es native Facebook Videos machen. In zwei Jahren kann die Situation vollkommen anders aussehen. Unternehmen müssen aber die Flexibilität mitbringen, um auf solche Änderungen und Chancen reagieren zu können. Ich sehe das auch nicht als einen Kontrollverlust. Vorausgesetzt Facebook nimmt keinerlei Einfluss auf die erstellten Inhalte.
Bei YouTube sprechen wir auch nicht von einem Kontrollverlust, obwohl viele Unternehmen jahrelang ihren Videocontent ausschließlich auf YouTube veröffentlicht haben. Warum wurden die Videos nicht ausschließlich auf der eigenen Webseite veröffentlicht? Einfache Antwort. Weil YouTube viele Vorteile mit sich bringt und für den Konsum von Videos im Netz steht. Genau aus diesem Grund hat Facebook seine nativen Videos gestärkt. Was bei Facebook eine Gefahr ist, spielt bei YouTube anscheinend keine Rolle. Ach stimmt ja, Facebook hat ja den bösen Algorithmus.
Blogger in Charge bei Futurebiz, Speaker, Autor und Senior Digital & Social Media Berater bei der Agentur BRANDPUNKT. Jan Firsching berät Marken und Unternehmen bei der Entwicklung von digitalen und Social Media Strategien. Zu Futurebiz Consulting
Blogger in charge at Futurebiz. Speaker, author and senior digital & social media consultant at the BRANDPUNKT agency. Jan Firsching advises brands and companies on the development and implementation of digital and social media strategies.