Da hat uns Facebook ja etwas eingebrockt. Auch wenn es den EdgeRank offiziell nicht gibt, zumindest nicht den Begriff, scheint er die pure Panik bei Unternehmen und Community Managern hervorzurufen. Beiträge werden nicht mehr erstellt, um seine Fans und Kunden zu informieren, zu unterhalten, oder sich auszutauschen, es geht nur noch um Interaktion. Interaktion um jeden Preis.
Waren es vor ein paar Wochen noch „Fill in the blank“ Posts, kommen Community Manager heute auf immer absurdere Ideen. Sehr beliebt sind Beiträge wie das letzte Kommentar gewinnt 500 €. Unser absolutes Highlight gab es vor ein paar Tagen bei Lidl. Den Fans wurde eine „spannende“ Aufgabe gestellt. „Wetten dass es niemand schafft, 20 Kommentare Hintereinander zu posten, ohne dass ein anderer dazwischen postet!?!“ Da kann man wirklich nur noch den Kopfschütteln.
Der Beitrag hat keinen Inhalt und soll auch nichts vermitteln. Es geht einzig darum Interaktionen (wenn man das überhaupt so nennen kann) hervorzurufen, denn wir wissen ja: Interaktionen sind gut für den EdgeRank und für die Sichtbarkeit im Newsfeed.
Ergebnis des Posts waren über 6.500 Kommentare und somit ein voller Erfolg. Wirklich? Die nächsten Beiträge von Lidl kamen auf elf, zwölf, 97 und 39 Kommentare. Die Beiträge davor auf ähnliche Werte. Hat der Beitrag Lidl jetzt etwas gebracht? Da wir keinen Einblick auf die Reichweite der Beiträge haben ist das schwer zusagen, wir vermuten aber das sie nicht angestiegen ist.
Uns geht es nicht nur um Lidl. Es gibt jede Menge anderer Seiten die ähnlich vorgehen. Bei Blogs und Webseiten gibt es die Weisheit: „Erstellt Inhalte für Eure Leser und Kunden und nicht für Google“. Für Facebook und jedes andere soziale Netzwerk gilt das auch. Erstellt Inhalte von denen eure Kunden etwas haben und nicht für den EdgeRank. Ihr fordert Kunden ja auch nicht dazu auf euch am Tag 50 Emails zu schicken, nur um zu überprüfen, ob sie es auch wirklich schaffen…
Lindt kombiniert das Frisieren des EdgeRanks gleich auch noch mit einer Social Responsibility Kampagne. Für jedes Kommentar spendet Lind 1 $. Auch wenn das eine gute Sache ist und wir uns wünschen das es viele Kommentare gibt, bleibt ein fader Beigeschmack. Lindt hätte auch einfach posten können, dass sie 5.000 $ und hätte hierfür definitiv positive Reaktionen bekommen.
Supre‘ setzt seine Fans zusätzlich noch unter Zeitdruck. Die virtuelle Umarmung der Freundin funktioniert nämlich nur dann, wenn das Foto innerhalb von 30 Sekunden geteilt wird. Marken müssen bei ihren Fans Druck aufbauen, sonst vergessen sie noch den „Share“… Neben solchen großartigen Beiträgen sorgt Supre‘ für einen guten Content-Mix und veröffentlicht in regelmäßigen Abständen rote Fotos mit dem Text Sale.
Oder Kia Motors Deutschland. Anstatt die Fans zu Fragen, welches Modell ihnen besser gefällt, ja die Funktion gibt es auf Facebook, muss die Meinung entweder über einen Gefällt mir Klick, oder über einen Share geäußert werden. Das Nutzerfeedback konnte durch diese clevere Idee aber leider nicht spürbar gesteigert werden.
Im Vergleich zu den anderen Beispielen ist der Beitrag noch der Beste, aber auch hier geht es nur um den EdgeRank. Ob Kia sich das Feedback wirklich zu Herzen nimmt und registriert, dass 60 Fans mit dem neuen Kia Carens nicht zufrieden sind, darf bezweifelt werden.
Was mich auch stört sind Anleitungen in Blogs, die solchen Beiträge als gutes Mittel für Community Management verkaufen wollen. Nutzer müssen zu Interaktionen aufgefordert werden, aber hierfür gibt es andere Mittel. Beispielsweise kann man nach einer Beschreibung eines „Fotos“ fragen. Hier entsteht ein Ergebnis und Nutzer beschäftigen sich mit der Marke und die Reaktionen können auch ausgewertet werden. Aber auch diese Art von Posts sollte nicht zu oft eingesetzt werden.
Marken müssen Statistiken zu ihren Beiträgen auswerten und wenn es einen spürbaren Rückgang bei der Reichweite gibt, muss reagiert werden. Aber bitte nicht so. Auch wenn die Reaktionen für diese Art von Posts (leider) höher ausfällt, bringt das langfristig gesehen überhaupt nichts. Die Marke profitiert hiervon nicht und die Fans auch nicht. Dann doch lieber die eigene Content-Strategie hinterfragen, etwas neues ausprobieren und die Beiträge mit Promoted Posts und Gesponserten Meldungen unterstützen.
Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben und wünsche den Unternehmen (es gibt auch viele positive Beispiele), den Nutzern und Facebook, eine Zukunft mit gutem Content und einem echten Dialog.
Danke an Steffen, Jens und die Condescending Corporate Page für die fantastischen Post-Beispiele.
Blogger in Charge bei Futurebiz, Speaker, Autor und Senior Digital & Social Media Berater bei der Agentur BRANDPUNKT. Jan Firsching berät Marken und Unternehmen bei der Entwicklung von digitalen und Social Media Strategien. Zu Futurebiz Consulting
Blogger in charge at Futurebiz. Speaker, author and senior digital & social media consultant at the BRANDPUNKT agency. Jan Firsching advises brands and companies on the development and implementation of digital and social media strategies.