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Die sechs chinesischen Unternehmen, die jeder Manager kennen sollte

Gastbeitrag von Ralf Kreutzer

Wenn man aus China zurückkommt und sich mit deutschen Managern über das Gesehene, das Gehörte und das Erlebte austauscht, stellt man immer wieder eine große Informationslücke bzgl. der Key-Player in China fest. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die in den nächsten Jahren – ja – die Welt verändern werden. Deshalb möchte ich diese Schlüsselunternehmen der (Digital-)Wirtschaft aus China hier vorstellen.

Alibaba

Den meisten Managern ist noch Alibaba (korrekt Alibaba Group Holding Limited) bekannt – nicht zuletzt durch den größten Börsengang, den ein Unternehmen je vollzogen hat. Seit dem 19.9.2014 ist die Alibaba-Aktie an der New York Stock Exchange notiert. Im Zuge des Börsengangs wurden Aktien für knapp 22 Mrd. US-$ verkauft. Das Unternehmen hat seinen Stammsitz in Hangzhou in China. Es wurde von dem früheren Englischlehrer Jack Ma im Jahr 1999 gegründet. Heute umfasst die Firmengruppe mit über 50.000 Mitarbeitern eine Vielzahl von häufig marktdominierenden Geschäftsfeldern. Das Gesamtunternehmen hat für 2017 einen Umsatz von 19 Mrd. Euro ausgewiesen.

Die Alibaba-Group (2018) definiert ihre Vision wie folgt (vgl. Abb. 1):

„We aim to build the future infrastructure of commerce. We envision that our customers will meet, work and live at Alibaba, and that we will be a company that lasts at least 102 years.“


Abb. 1: Alibaba-Group, Quelle: Alibaba-Group, 2018

Bereits in dieser Vision wird deutlich, dass Alibaba ein umfassendes Eco-System entwickelt möchte, in dem sich die unterschiedlichsten Kundengruppen bewegen können. Die Mission von Alibaba wird wie folgt definiert (Alibaba-Group, 2018):

„Alibaba Group’s mission is to make it easy to do business anywhere. We enable businesses to transform the way they market, sell and operate. We provide the fundamental technology infrastructure and marketing reach to help merchants, brands and other businesses to leverage the power of the Internet to engage with their users and customers. Our businesses are comprised of core commerce, cloud computing, digital media and entertainment, innovation initiatives and others. Through our subsidiary Cainiao Network and investee affiliate Koubei, respectively, we participate in the logistics and local services sectors. In addition, we have a strategic relationship with Ant Financial Services, the financial services group that operates mainly through Alipay, the leading third-party online payment platform in China.“

Die wichtigsten Aktivitätsfelder von Alibaba werden hier aufgeführt (vgl. Alibaba-Group, 2018):

Alibaba.com („Global trade starts here“)

Das erste Geschäft der Alibaba-Group war Alibaba.com. Hierbei handelt es sich um eine globale B2B-E-Commerce-Plattform, die Nachfrager aus mehr als 200 Ländern mit Anbietern zusammenführt. Kunden sind primär Handelsvertreter, Großhändler, Einzelhändler, Hersteller und KMU, die im Import- und Exportgeschäft tätig sind. Alibaba.com ist folglich kein klassischer Online-Versender, sondern lediglich eine Plattform, um zweiseitige Märkte (Unternehmen und Käufer) zusammenzuführen. Alibaba.com bietet den Nutzern auch Dienstleistungen im Bereich Import/Export an, einschließlich Zollabfertigung, Mehrwertsteuerrückerstattung, Handelsfinanzierung und Logistikdienstleistungen. 

AliExpress („Smarter Shopping. Better Living“)

AliExpress wurde 2010 gegründet. Es stellt das Pendant zu Alibaba.com mit dem Zielmarkt Konsumenten dar. Hierbei handelt es sich um eine globale B2C-E-Commerce-Plattform. Es soll Verbrauchern aus der ganzen Welt ermöglichen, direkt von Herstellern und Händlern in China zu kaufen. Momentan liegt der Fokus der internationalen Expansion auf den Ländern Brasilien, Frankreich, Großbritannien, Russland, Spanien und den USA.

Taobao.com

Der Taobao-Marketplace wurde 2003 ins Leben gerufen und ist eine soziale E-Commerce-Plattform, die durch Big-Data-Analytics personalisierte Einkaufserlebnisse vermitteln möchte. Verbraucher stehen im Dialog miteinander über Produkte und neue Trends und können hier auf dem Taobao-Marketplace auch mit ihren bevorzugten Händlern und Marken interagieren. Die Händler auf Taobao- Marketplace sind primär Einzelpersonen und kleine Unternehmen. Taobao-Marketplace ist – orientiert am Bruttowarenwert – die größte Mobile-Commerce-Plattform in China (Stand 2016).

Tmall.com

Tmall wurde 2008 als Online-Kaufhaus gegründet und richtet sich an Verbraucher, die primär nach Markenprodukten suchen. Eine große Anzahl internationaler und chinesischer Marken und Einzelhändler präsentiert auf Tmall ihre Angebote. Tmall war im Jahr 2016 Chinas größte Drittanbieterplattform für Marken und Einzelhändler, gemessen am Bruttowarenwert.

Ant Financial Services

Diese Unternehmenssparte von Alibaba konzentriert sich auf die Betreuung von Klein- und Kleinstunternehmen sowie von Verbrauchern. Es entwickelt ein finanzielles Eco-System und arbeitet mit anderen Finanzinstitutionen zusammen, um die zukünftigen finanziellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu bedienen. Zu den von der Ant Financial Services Group betriebenen Unternehmen gehören Alipay, Ant Fortune, Zhima Credit und MYbank. Bei Alipay handelt es sich um das drittgrößte Online-Bezahlsystem in China, das auch in vielen stationären Geschäften Akzeptanzstellen hat.

1688.com

Im Jahr 1999 gestartet ist 1688.com eine führende Online-B2B-Großhandelsplattform, die Käufer und Verkäufer in China verbindet. Der Schwerpunkt liegt auf allgemeinen Handelswaren, Bekleidung, Elektronik, Rohstoffen, industriellen Komponenten sowie landwirtschaftlichen und chemischen Produkten. Es dient auch als Großhandelskanal für Händler, die Geschäfte auf den Einzelhandelsmarktplätzen der Alibaba-Group tätigen, um Produkte von inländischen Großhändlern zu beziehen.

Alibaba Cloud

Alibaba Cloud (www.alibabacloud.com) wurde 2009 gegründet und gehört laut Gartner zu den drei weltweit führenden IaaS-Anbietern (IaaS steht für „Infrastructure-as-a-Service). Alibaba Cloud bietet Unternehmen weltweit eine umfassende Palette von Cloud-Computing-Services, bspw. Händlern, die auf Marktplätzen der Alibaba-Group aktiv sind, Start-ups, Regierungsorganisationen und weiteren Unternehmen. Alibaba Cloud ist in China der größte Anbieter von Public-Cloud-Diensten.

Cainiao Network

Hierbei handelt es sich um einen Plattformbetreiber für Logistikanforderungen des chinesischen Online- und Mobile-Commerce-Sektors. Die Gruppe betreibt eine Logistikdatenplattform, die die Kapazitäten von Logistikpartnern nutzt, um Transaktionen zwischen Händlern und Verbrauchern in großem Umfang zu gestalten. Es nutzt unterschiedliche Datenquellen und Technologien, um die Effizienz über die gesamte logistische Wertschöpfungskette zu steigern.

Alimama

Alimama wurde 2007 gegründet und ist eine Marketing-Technologie-Plattform. Sie ermöglicht es Händlern und Marken, verschiedene Marketing-Formate auf den Marktplätzen der Alibaba-Group und anderen Drittanbietern zu platzieren. Durch sein Affiliate-Marketing-Programm ermöglicht Alimama Marketern, Marketing-Displays auf Websites von Drittanbietern und mobilen Apps zu platzieren und dadurch ihre Marketing- und Werbewirksamkeit auf Anbieter und Nutzer zu erweitern, die über die Marktplätze der Alibaba-Group hinausgehen.

Ende 2017 vermeldete die Alibaba-Gruppe Group eine Beteiligung an der Sun Art Retail Group. Diese Gruppe ist der größte Betreiber von Warenhäusern und Supermärkten in China. Auch unter dem Namen Alibaba wurden inzwischen stationäre Geschäfte in China eröffnet. Auch dieser Digital-Pure-Player steigt damit – wie auch schon Amazon, Ebay und Zalando – ins Offline-Geschäft ein.

Wer in China unterwegs ist, stößt überall auf die Angebote dieser wichtigen Unternehmensgruppe, die aus dem Alltag von Millionen Chinesen nicht mehr wegzudenken ist.

JD.com

Eher unbekannt ist vielen hiesigen Managern dagegen das Unternehmen JD.com. Dabei ist es ein hochspannendes E-Commerce-Unternehmen mit Sitz in Peking. Es vereint die Leistungen von Amazon und DHL unter einem Dach – ein Online-Shop mit einer China-weiten eigenen Logistikkette. Das Unternehmen beschäftigte 2017 knapp 160.000 Mitarbeiter.

JD.com ist neben Tmall der wichtigste B2C-Onlinehändler in China. Die Plattform verfügt über mehr als 250 Mio. aktive Nutzer. Das Unternehmen wurde von Liu Qiangdong gegründet; die B2C-Online-Plattform startete 2004. Ursprünglich konzentrierte sich das Unternehmen auf Speichermedien – inzwischen verkauft es eine Vielzahl von Elektroprodukten und versucht, auch den Modesektor zu erschließen. Eine B2C-Online-Plattform kann heute in China nicht mehr auf das Angebot von Mode verzichten, wenn es auch die (primär weiblicher) jungen Kunden gewinnen möchte.

JD.com ist gleichzeitig ein weltweit führendes Unternehmen innovativer Logistik-Leistungen. Es setzt bei der landesweiten Zustellung durch eine Systeme auf High-Tech und KI, indem es Drohnen, autonome Technologie und Roboter für Logistikaufgaben einsetzt. Hierfür besitzt es das weltweit umfassendste System: Dazu gehören neben Flughäfen für eine Drohnen-basierte Belieferung auch Zustellleistung durch Roboter sowie autonom fahrende Lastwagen. Gestützt auf diese Infrastruktur verspricht JD.com eine China-weite Zustellung in nicht mehr als zwei Tage. Häufig wird aber bereits am Folgetag oder noch am gleichen Tag geliefert.

Da JD.com im Vergleich zum Tmall beim Kauf selbst Vertragspartner der Kunden wird – und nicht nur ein Plattformbetreiber ist – haben die Verbraucher in China tendenziell ein größeres Vertrauen in die Leistungen von JD.com. Schließlich hat man nur einen Ansprechpartner, wenn mit der Lieferung etwas nicht stimmt. Damit hat JD.com gegenüber Tmall einen entscheidenden Vorteil: Denn JD.com verkauft eigene Waren, lagert diese in selbst betriebenen Lagern und versendet diese auch selbst. Hierdurch wird ein Verkauf von gefälschter Ware durch Dritthändler, wie dies häufig auf Alibaba-Plattformen zu beobachten ist, nahezu unmöglich. Auf diese Weise gewinnt JD.com besonders anspruchsvolle und kaufkräftige Kunden. Die globale Expansion steht dem Unternehmen noch bevor; zurzeit liegt der Fokus auf dem Heimatmarkt (vgl. Kaufmann, 2017).

Tencent

Auch das chinesische Unternehmen Tencent sollte allen bekannt sein – zumindest aber das wichtigste Produkt dieses Unternehmens: WeChat. Das Internet-Unternehmen wurde 1998 in Shenzhen von Ma Huateng und Zhang Zhidong gegründet (mit finanzieller Unterstützung von US-amerikanischen Risikokapital-Gebern). Die Tencent Holdings Ltd. ist in den Bereichen Instant Messenger, soziale Netzwerke, Online-Medien (bspw. Websportale) und weiteren Online-Services aktiv ist. Mit einer Marktkapitalisierung von über 500 Mrd. US-$ ist Tencent das größte chinesische Online-Unternehmen. Es beschäftigt ca. 40.000 Mitarbeiter, wovon mehr als die Hälfte im Bereich F&E arbeitet. Im letzten Geschäftsjahr wurde einen Umsatz von knapp 20 Mrd. Euro erzielt. Das Unternehmen ist seit 2004 an der Hong Kong Stock Exchange gelistet. Seine Mission präsentiert Tencent wie folgt (vgl. Tencent, 2018):

„It is Tencent’s mission to enhance the quality of human life through Internet services.“

Das bekannteste Angebot von Tencent ist der aus einem Instant-Messenger-Service hervorgegangene Dienst WeChat (Weixin, frei übersetzt „winzige Nachricht“), der 2011 veröffentlicht wurde. Dieser Service ist auch in deutscher Sprache verfügbar. Mit einfachen Worten könnte man sagen, WeChat wie Facebook und Twitter, Amazon und Tinder, Instagram und Snapchat, Monster und WhatsApp, Amazon Marketplace und Booking.com, Dropbox und QR-Code-Reader, MyTaxi und Paypall, Swarm und Gaming, und vieles vieles mehr – aber alles in einem! WeChat hat noch eine weitere Besonderheit: WeChat gibt seine Daten an die chinesischen Behörden weiter.

Alle wissen es und keiner scheint sich daran zu stören! Dazu gehört auch, dass die chinesische ID-Card in Zukunft direkt mit dem WeChat-Konto verknüpft werden kann. Das hat nicht nur Vorteile für den Nutzer, sondern auch für den Staat – einfacher kann ein allumfassender Datenzugriff auf Millionen von Nutzern nicht sein Dieses Vorgehen wird ganz offiziell in den Datenschutzbestimmungen von WeChat kommuniziert und damit mit den Nutzern vereinbart.

Einen Einblick in die Leistungsbandbreite von WeChat bietet Abb. 2.

Abb. 2: WeChat-Eco-System, Quelle: Deng, 2017

Die wichtigsten Funktionen von WeChat seien hier kurz erklärt:

Instant-Messaging (Versand von Audio-Nachrichten, Führen von Video-Telefonaten)
Teilen von Fotos, Videos, Kontaktinformationen sowie des jeweiligen Standorts
Bestellung von Lebensmitteln, Büchern und Taxis
Bezahlung von Restaurant und Stromrechnungen
Mobiles Zahlungssystem (WeChat Pay) für den Online- und Offline-Einkauf
Suchen von Jobs und Menschen in der Nähe
Buchen von Terminen aller Art, bspw. von Arztbesuchen
Behördengänge (bspw. zur Visa-Beantragung)
Spielen
Betreiben eines Mobile-Online-Shops
Organisation von Messe-Events
Eigener App-Store
Nachrichten-Streaming (WeChat Moments)
Eigener Blog (WeChat Blog)

Kommt dieses Bündel an Funktionalitäten bei den Nutzern an? Heute gibt es ca. eine Mrd. tägliche Nutzer – davon über 100 Mio. außerhalb von China (vgl. Tencent, 2018). Und in China haben wir immer wieder gesehen: Wer dort im Online- und insb. im Mobile-Zeitalter „überleben“ möchte, kommt ohne WeChat nicht aus. So ist WeChat für viele Mio. Chinesen zum Hub ihrer Online-Aktivitäten geworden – (fast) alles startet und endet bei WeChat. Das führt dazu, dass chinesische Online-Anbieter häufig nicht mit einer eigenen Website beginnen, sondern zunächst ein Profil auf WeChat anlegen. In Summe werden deshalb täglich in China schon mehr WeChat-Profile als Websites online gestartet.

[Tweet “Denn in China hört man nicht das uns inzwischen vertraute Mobile first, sondern fast nur noch Mobile only!”]

Denn in China hört man nicht das uns inzwischen vertraute „Mobile first!“, sondern fast nur noch „Mobile only!“ Schließlich – so kann man überspitzt formulieren – hat China den direkten Sprung vom Trommeln zum iPhone5 vollzogen, ganz ohne stationäres Internet! Das merkt man in den Gesprächen mit verantwortlichen Managern – aber vor allem sieht man es im Alltag auf Schritt und Tritt.

Baidu

Das chinesische Unternehmen Baidu betreibt in China die gleichnamige Suchmaschine. Baidu gehört aufgrund seiner überragenden Marktstellung in China zu den fünf am häufigsten aufgerufenen Websites – weltweit. In der chinesischen Sprache bedeutet das Wort Baidu wörtlich “hunderte von Male”. Es ist bekannt, dass Baidu eng mit den chinesischen Behörden zusammenarbeitet, um das Sichtbarmachen „unerwünschter“ Inhalte zu unterbinden. Das Unternehmen beschäftigt im letzten Geschäftsjahr über 46.000 Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von neun Mrd. Euro.

Sina Weibo

Sina Weibo heißt der größte chinesische Mikroblogging-Service. Er wurde im Jahr 2009 von der Sina Corporation gegründet. „Weibo“ bedeutet auf Chinesisch „Mikroblogging“. Nach eigenen Angaben hat Weibo um die 350 Mio. registrierte Nutzer, von den ca. die Hälfte täglich aktiv ist. Der Umsatz lag 2017 bei ca. 930 Mio. €; gleichzeitig kann Weibo auf eine steigende Gewinnentwicklung verweisen (vgl. Weibo, 2018).

Sensetime

Das auf Künstliche Intelligenz (KI) spezialisierte Unternehmen Sensetime dürfte ist auch eher noch ein Geheimtipp sein, obwohl das erst 2014 gegründete Unternehmen gerade mit einer Marktkapitalisierung von 2,5 Mrd. € zum wertvollsten KI-Startup der Welt gekürt wurde. Alibaba, der US-amerikanische Halbleiterhersteller Qualcomm und weitere Investoren haben kürzlich 500 Mio. € in das Unternehmen investiert (vgl. Ankenbrand, 2018). Das Unternehmen Sensetime (2018) definiert sich selbst wie folgt:

„Lead AI Innovation to Power the Future. With our roots in China, SenseTime’s proprietary AI technologies have placed us at the forefront of global AI industry development. We believe that AI will unlock another era of China-lead global development, and that the R&D and deployment of computer vision and deep learning technologies will redefine human life as we know it and establish a new connection between us and the world at large. Not only will this transform society as a whole, but it will push mankind forward as well.“

Eine besonders spannende und – vor allem aus europäischer Sicht –erschreckende Fähigkeit des Unternehmens liegt im Bereich der Gesichtserkennung. Diese wird bei Sensetime konsequenterweise auch die Eingangskontrolle eingesetzt (vgl. Abb. 3).

Eingangskontrolle-Sensetime-Gesichtserkennung

Abb. 3: Eingangskontrolle bei Sensetime – natürlich mit Gesichtserkennung

Die Fähigkeit des Unternehmens Sensetime zur Gesichtserkennung ist besonders interessant, wenn man die politischen Hintergründe in China vor Augen hat. So sieht das offiziell verkündete Ziel der chinesischen Regierung vor, dass das öffentliche Leben überall und jederzeit überwacht werden soll. In mindestens fünf der größten chinesischen Städte sollen demnächst Supercomputer eingesetzt werden, um eine Gesichtserkennung von über 100.000 Live-Übertragungen von Verkehrsüberwachungskameras sowie von Kameras der Bankautomaten sowie von Smartphones in einem einzigen System auszuwerten. Die Software von Sensetime ist bereits auf über 100 Mio. chinesischen Smartphones installiert. Die Software dient heute schon dazu, Verbrechen in Realtime zu erfassen und Verbrecher in Echtzeit zu suchen (vgl. Ankenbrand, 2018).

Bei der Führung durch das Unternehmen in Peking wurde uns mitgeteilt, dass die Verbrechensquote in Shanghai, wo die Video-Überwachung im öffentlichen Raum bereits sehr weit vorangeschritten ist, signifikant zurückgegangen ist. Der Phantasie weiterer Einsatzfelder, was mit den Daten von Millionen Gesichtsprofilen alles entwickelt werden kann, sind keine Grenzen gesetzt. Denn in China gibt es keinen entsprechenden Datenschutz, der die Nutzung dieser höchst privaten Daten begrenzen würde. Eine Diskussion darüber gibt es aus nachvollziehbaren Gründen allerdings auch nicht. Welche Erkenntnisse über Bewegungsprofile gewonnen werden können, zeigt exemplarisch Abb. 4

Erkenntnisse-Bewegungsprofile

Abb. 4: Erkenntnisse über Bewegungsprofile

Dass sich die Gesichtserkennung bei der Einlasskontrolle auch bei anderen Unternehmen bereits etabliert ist, zeigte uns das Unternehmen Cheetah Mobile in Peking. Deren Slogan „Make the world smarter“ wurde konsequent umgesetzt, wie Abb. 5 zeigt. Noch eine interessante Zahl, die wir dort erkennen konnten. Die Anzahl der monatlich aktiven Nutzer liegt bei 600 Mio!

Gesichtserkennung-Ein-Auslasskontrolle-Cheetah Mobile

Abb. 5: Gesichtserkennung als Ein- und Auslasskontrolle bei Cheetah Mobile

Die hier aufgezeigten Möglichkeiten können aber auch sehr viel spielerischer genutzt werden. So kann bspw. eine Ermittlung weiterer Merkmale über die Gesichtserkennung erfolgen, wie Abb. 6 zeigt. Besonders durch die Altersangabe fühlte ich mich sehr geschmeichelt!

Gesichtserkennung-Daten

Abb. 6: Über die Gesichtserkennung zu weiteren Daten

Der Besuch bei Sensetime zeigte auch, dass KI für lustige Gimmicks für die Werbung eingesetzt werden kann (vgl. Abb.7). Durch Gestensteuerung können bei einer Entwicklung für McDonald´s Produkte in das reale Bild an passender Stelle eingeblendet werden.

Produkteinblendungen-Realtime-Gestensteuerung

Abb. 7: Produkteinblendungen in Realtime – über Gestensteuerung

Auch weiteren Spaßanwendungen sind keine Grenzen gesetzt. So können in Abb. 8 (links) über eine Gestensteuerung Herzen erzeugt werden, während man sich in Abb. 8 (rechts) selbst zum Narren machen kann. Das sind die Inhalte, die Nutzer von Snapchat & Co. begeistern können.

Gestensteuerung-Anwendungen-Beispiele

Abb. 8: Mit Gestensteuerung zu Herzen – und weitere lustige Anwendungen

Dieser Ausschnitt aus dem in China Erlebten unterstreicht, dass wir uns bei der Suche nach den großen Innovationen nicht mehr (allein) nach Westen, sondern in viel stärkerem Maße nach Osten und genauer nach China ausrichten müssen. Dort entstehen heute schon die bahnbrechenden Innovationen – gefördert durch hohe Forschungsinvestitionen in die Zukunftsbranchen, basierend auf einem langfristigen Masterplan der Regierung, bei einer technologieoffenen bis -begeisterten Bevölkerung. Aufgrund des weitgehenden Fehlens jeglicher Datenschutzgesetzgebung kann dabei auf ein Datenvolumen zugegriffen werden, was den Namen „Big Data“ wirklich verdient und wovon kommerzielle Anwender in westlichen Industrienationen nur träumen können. Die Gewichte in der globalen Wirtschaft verschieben sich – jetzt!


Autor Ralf Kreutzer:
Ralf Kreutzer ist regelmäßiger Keynote-Speaker auf nationalen und internationalen Konferenzen. Sein Schwerpunkt der Keynotes liegt bei aktuellen Marketing-Themen sowie bei der digitalen Transformation. Seit 2005 ist Ralf Kreutzer Professor für Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin und Autor u.a. der Fachbücher Digital Business Leadership und Digitaler Darwinismus  

 

Blogger in Charge bei Futurebiz, Speaker, Autor und Senior Digital & Social Media Berater bei der Agentur BRANDPUNKT. Jan Firsching berät Marken und Unternehmen bei der Entwicklung von digitalen und Social Media Strategien. Zu Futurebiz Consulting Blogger in charge at Futurebiz. Speaker, author and senior digital & social media consultant at the BRANDPUNKT agency. Jan Firsching advises brands and companies on the development and implementation of digital and social media strategies.

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